Nach Tuzla und Bijeljina

          

  

Kurz vor Mittag trafen wir auf der Eagle Base ein (Bild), die angelehnt an den Flugplatz von Tuzla in der zurzeit siebten Ablösung durch eine Division der texanischen National-Garde betrieben wird. Nach einer für amerikanische Verhältnisse eher formlosen Eingangskontrolle bestand ausreichend Gelegenheit, das Camp zu besichtigen. Wie ein Internat ist es dafür eingerichtet, möglichst alle Bedürfnisse seiner meist mit Ausgangssperre belegten Bewohner abzudecken. Einer der Höhepunkte ist zweifellos die Trainingshalle, wo mehrere Dutzend Sportgeräte nebeneinander aufgestellt sind. Selbstverständlich darf auch ein imposanter Kinosaal nicht fehlen.

     

Zum Mittagessen waren wir in das grosse Selbstbedienungsrestaurant der Base eingeladen. Aus vielen verschiedenen Speisen - alle mit Name, Zutaten und Kalorienzahl angeschrieben - konnte jeder sein Menü selbst zusammenstellen. Es hat offenbar allen ausgezeichnet gemundet (Bild: Oberst im Generalstab Siegrist, Nationalrat und Präsident der SOG, im Gespräch mit Divisionär Geiger, flankiert von Oberstleutnant Müller, dem Organisator der Besichtigungen).

 

Mit rund einstündiger Verspätung fand dann im "Weissen Haus" - dem Kommandogebäude - ein Briefing zu Lage und Auftrag der Division Nord statt. Unterstützt durch modernste Audiovisionsmittel überzeugte uns der Stellvertretende Kommandant, Brigadegeneral Taylor (rechts im Bild) - im Zivilleben Personaldirektor von Memorial Health Systems in Ost-Texas -, dass mit den vorhandenen Truppen, den profunden nachrichtendienstlichen Kenntnissen, einem umfassenden Kommunikationssystem und einer realistischen Einschätzung der Gegebenheiten die Lage jederzeit unter Kontrolle gehalten werden kann.

     

Um rechtzeitig zum geplanten Nachtessen mit den geladenen Gästen wieder im Hotel Saraj zu sein, hätte man eigentlich unverzüglich nach der Verabschiedung unserer Reisegruppe auf der Eagle Base (Bild) die Rückfahrt antreten müssen. Es wäre aber schlechter Stil gewesen, nachträglich die bereits früher akzeptierte Besuchs-Einladung der Kommandanten der serborepublikanischen und der russischen Truppen abzusagen.

     

     

Dass uns der erstere - der russische war wegen einer Dienstreise unabkömmlich - aber nicht wie ursprünglich abgemacht im eher ungemütlichen russischen Truppenlager Ugljevik, sondern in seinem Hauptquartier in Bijeljina (Bild) empfangen wollte, war leicht einzusehen, sollte aber unser Zeitproblem infolge des längeren Wegs entscheidend verschärfen. Auch unser Carchauffeur aus Sarajevo musste erst mit guten Worten überzeugt werden, sich soweit in die gemäss dem Abkommen von Dayton doch ziemlich selbständige Republika Srpska vorzuwagen.

     

Die Fahrt zeigte dann auch in nicht zu überbietender Deutlichkeit auf, dass hier die Kämpfe besonders intensiv geführt wurden. Vor dem Passieren der ständig bewachten Strassensperre an der Demarkationslinie waren kilometerweit nur Ruinen (Bild), aber nicht ein einziges bewohnbares Haus zu sehen. Infolge der immer noch verlegten Minen könnte zudem ein Verlassen der Strasse leicht tödlich enden. Mit Blaulicht von der Polizei durch den starken Verkehr in Bijeljina geleitet, erreichten wir schliesslich doch noch den erwünschten Treffpunkt.

     

Generalmajor Samardzic (Bild mit Dolmetscherin) zeigte uns in betont herzlicher Atmosphäre in seinem Vortrag und bei der Beantwortung unserer Fragen auf, dass es auch auf dieser Seite sehr beachtenswerte Fortschritte gibt. Er schloss nicht direkt aus, dass es in einem späteren Zeitpunkt - so etwa in zehn bis zwanzig Jahren - vielleicht eine bosnisch-herzegowinische Armee unter einheitlichem Kommando geben könnte. Mit einer grosszügigen Zwischenverpflegung und türkischem Kaffee liess er uns vor der langen Rückfahrt - sie sollte schliesslich bis 22:45 Uhr dauern - noch stärken, bevor er uns mit den besten Wünschen verabschiedete.

     

Gerne hätte dabei auch der Autor dieser Reisebeschreibung (Bild) noch einige Worte mit der attraktiven Dolmetscherin gewechselt. Sich etwas wehmütig an die Zeit erinnernd, als er es kaum begriffen hätte, wenn höhere Stäbe über solch weite Distanzen im Gebirge zwecks Zeitgewinn nicht lufttransportiert worden wären, blieb ihm aber nur das rasche Einsteigen in den Bus übrig. Und fast hätte er auf der Rückfahrt "befehlswidrig" die von den Amerikanern mitgegebene Notportion doch noch geöffnet.

     

  

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(erstellt am 25.05.00 ...